Fachkräfteaustausch in Kolumbien

Mit Carli unterwegs in Cali

Am 30. September ging es los - auf nach Kolumbien. Gemeinsam mit Carli, dem Maskottchen der DJK, machte ich mich am Montagmorgen auf den Weg zum Frankfurter Flughafen. Dort traf ich auf meine Mitreisenden Annika von der Sporthochschule Köln, Chrissy vom Kölner Fanprojekt, Joaquin von Spirit of Football und Julian von der Deutschen Sportjugend und der LAG kommunale Jugendringe NRW. Am frühen Nachmittag stiegen Carli und ich ins Flugzeug in Vorfreude und Erwartung auf den Fachkräfteaustausch in Cali. Anlass für unserer Reise war eine Anfrage von AGIAMONDO, einer Fachkräfteentsendeorganisation, für einen Austausch im Themenfeld Gewaltprävention im Fußball mit Fachkräften verschiedener Organisationen, Stiftungen und Initiativen aus der Fanszene von Deportivo Cali und América de Cali.

Tag 1 – Ein Blick in die Geschichte und auf Siloé

Nach einer langen Anreise wurden wir am 1. Oktober gegen 1 Uhr morgens herzlich von Anny am Flughafen begrüßt und ins Hotel gebracht. Nach wenigen Stunden Schlaf begann der erste Tag nach dem Frühstück mit dem kurzen Besuch einer Mall, um Sim-Karten zu kaufen und Geld zu wechseln. Später lernten wir die weiteren Fachkräfte Lina, Juliana, Anni und David kennen und starteten in den gemeinsamen Austausch mit einem Rundgang durch Siloé, eine der ärmsten Gegenden der Stadt. Enge Gassen und lebendige Wandgemälde prägen das Straßenbild. Wir lernten einiges über den Estallido von 2021 und seine Folgen, Polizeigewalt und Machtmissbrauch, politische Konflikte, aber auch über den Zusammenhalt und die immense Kraft der Menschen, die versuchen etwas für sich und ihre Gemeinschaft zu verändern. Durch David und Anni kamen wir mit den Menschen in Siloé ins Gespräch und wurden spontan von Jugendlichen zum Fußballspielen am kommenden Montag eingeladen. Wir besuchten auch das Museo Popular de Siloé, das das kollektive Gedächtnis der Gemeinschaft bewahrt und sich durch Beiträge, Erinnerungsstücke und Gegenstände der Menschen in Siloé ständig verändert und weiterentwickelt. Wir beendeten den ersten Tag voller Eindrücke nach einer Seilbahnfahrt über das nächtliche Siloé gemeinsam in einer Bar bei Gesprächen, Musik und Getränken.

Siloé

Führung durch Siloé

Museo Popular Siloé

Museo Popular Siloé

Tag 2 – Einblicke in die Fundación un Distrito en Paz

Nach einem langsamen Start in den Tag mit Co-Working und ausgiebiger Reflexionsrunde über die Eindrücke des ersten Tags in Siloé mit meinen Mitreisenden aus Deutschland fuhren wir zu FUNDP. Im gemeinsamen Austausch lernten wir die Mitarbeitenden und Engagierten der Fundación un Distrito en Paz kennen, die sich aus der Fanszene von América de Cali gegründet hat. Wir wurden durch einen Gemeinschaftsgarten geführt, der in einem Projekt gemeinsam mit den Bewohner*innen angelegt wurde und erfuhren die Hintergründe hinter der Escuelita Popular, die jeden Samstag die Kinder der Nachbarschaft zusammenbringt und einen Raum bietet, in der die Kinder gemeinsam spielen, lernen und wachsen. Natürlich spielt Fußball dabei eine Rolle. Die Kinder spielen gemeinsam Fußball und sprechen über ihre Visionen und Bemühungen für eine friedliche Fußballkultur und Gesellschaft. Zum Abschluss des Tages wurde draußen ein Fernseher aufgebaut, Stühle bereitgestellt und gemeinsam mit den Menschen in der Nachbarschaft das Spiel von América de Cali geschaut.

Einblicke in die Arbeit der Fundación un Distrito en Paz

Graffiti einer Fußballerin

Gartenprojekt

Austausch mit den Fachkräften von FUNDP

Tag 3 – Zwischen Geschichte und Fußball

Am dritten Tag in Cali besuchten wir Puerto Resistencia und haben dort im Gespräch mit den Menschen noch mehr über Estallido im Jahr 2021, soziale Ungerechtigkeiten und die Bedeutung von „memoria viva“, der lebendigen Erinnerung erfahren. Das Denkmal, das von den Protestierenden errichtet wurde, ist ein gutes Beispiel dafür. Einige Menschen stehen weiterhin jeden Tag beim Denkmal und setzten ihren Protest seit 2021 fort. Das Denkmal wird jedes Jahr neu bemalt, um den Protest weiterhin sichtbar zu machen, die Erinnerungen lebendig zu halten und den Menschen zu gedenken, die während der Proteste gestorben sind.
Danach besuchten wir spontan die Fundación Hip Hop Pena und erfuhren dort einiges über Soziale Arbeit im Hip Hop, die Strukturen der Fundación und die Projekte die sie mit den Kindern und Jugendlichen gemeinsam umsetzen.
Am Abend erfuhren wir bei einem Spaziergang um das Estadio Olímpico Pascual Guerrero etwas über den Einfluss von Fußball, Musik und Literatur auf die Gesellschaft in Cali und die Geschichte des Fußballvereins América de Cali. Den Abend ließen wir bei einem gemeinsamen Abendessen mit Gesprächen über die Fankultur von América de Cali ausklingen.

Puerto Resistencia

Puerto Resistencia

Puerto Resistencia

Fundación Hip Hop Pena

Tag 4 – Im Stadion von Deportivo Cali

Der vierte Tag begann wieder mit einer Reflexionsrunde und der Vorbereitung des Fachkräfteaustauschs in Deutschland. Mittags ging es mit dem Bus noch einmal in ein Einkaufszentrum, um Geld zu wechseln und zu Mittag zu essen.

Anschließend besuchten wir das Stadion von Deportivo Cali, um mit den Fans von Deportivo Cali ins Gespräch zu kommen und ein Spiel zu sehen. Die Atmosphäre war sehr angespannt, da sich der Verein in einer Krise befindet und die Fans unzufrieden sind. Einige Fangruppen durften gar nicht ins Stadion, während andere das Spiel boykottierten und vor dem Stadion demonstrierten. Dementsprechend waren nur sehr wenige Menschen im Stadion. Die Fans beschimpften ihre Spieler ununterbrochen, und am Ende wurden Gegenstände auf das Spielfeld geworfen. Auch außerhalb des Stadions war die Stimmung aufgeheizt. Während des Spiels hörten wir bereits „Explosionen“, die wie Feuerwerkskörper klangen, und einige scherzten, dass es ihr Auto sein könnte, das explodiert sei. Nach dem Spiel gerieten Fans in Auseinandersetzungen, und die Polizei griff ein. Anny berichtete während des gesamten Spiels über Fan- und Polizeigewalt und wir erhielten einen Einblick in ihre Rolle während der Spiele. Von den Fans um uns herum erfuhren wir in Gesprächen etwas mehr über die Fankultur in Cali.

Tag 5 – Einblicke in die Escuelita Popular

Der fünfte Tag begann für uns früh mit einem Besuch in der Escuelita Popular der Fundación un Distito en Paz. Zunächst spielten wir Fußball mit den Kindern, gefolgt von einer Unterrichtsstunde, in der die Kinder ihre Definitionen von „Respekt“ präsentierten. Es war unglaublich interessant und beeindruckend zu sehen, was die Kinder sich überlegt hatten. Nach einer kurzen Pause und einem Snack folgte eine Phase des freien Spiels. Die Kinder brachten uns lokale Spiele bei, zeigten uns die Umgebung der Escuelita und spielten selbstständig. Zum Abschluss des Vormittags kamen alle zusammen, um ein paar gemeinsame Spiele zu spielen. Die Kinder wünschten sich Spiele zu lernen, die wir in Deutschland spielen. Also spielten wir gemeinsam zwei Spiele, die auch im Sport- und Spielewörterbuch der DJK Sportjugend zu finden sind. Am Ende brachten die Fachkräfte die Kinder nach Hause, und wir begleiteten sie. Dieser Vormittag war unglaublich eindrucksvoll. Die meisten Fachkräfte arbeiten ehrenamtlich und möchten durch die außerschulische Bildung der Kinder ihre Gemeinschaft stärken, insbesondere in den Bereichen Ernährung, Selbstbewusstsein und Empowerment.

Beim Mittagessen tauschten wir uns über das Programm und ähnliche Projekte in Deutschland aus und sprachen über gemeinsame Ideen und Herausforderungen. Anschließend kehrten wir ins Hotel zurück, nahmen eine Dusche, holten uns Kuchen in unserem Lieblingscafé und trafen uns mit Anny, um den Bulevar del Río zu erkunden. Dort trafen wir ein Paar, das eine Stiftung zur Drogenprävention leitet und jungen Menschen hilft, die bereits mit Suchtproblemen kämpfen. Sie erzählten uns von ihrer Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen und gaben Einblicke in die Präventionsarbeit in Schulen. Den Abend ließen wir gemeinsam bei einer Open-Air-Salsa-Party auf der Straße ausklingen.

Cali bei der Escuelita Popular

Faßballspielen in der Escuelita Popular

Cali am Boulevar del Rio

Salsa

Tag 6 – Zwischen Fußball, Tanz und Zukunftsträumen

Am sechsten Tag starteten wir den Morgen wieder mit einer Reflexionsrunde und Co-Working in unserem Lieblingscafé. Am Nachmittag besuchten wir ein Projekt der Fundación Detrás Del Arco. Diese Stiftung bietet verschiedene Projekte und Workshops für Kinder aus sozial benachteiligten Verhältnissen an und hat ihre Wurzeln in der aktiven Fanszene von Deportivo Cali. Der zu Beginn noch leere Schulhof füllte sich sehr schnell mit Kindern und Jugendlichen aus der Nachbarschaft, sobald eine kleine Gruppe anfing Fußball und kleine Spiele zu spielen. Anschließend gab eine Tanzlehrerin der Fundación Hip Hop Pena einen Einblick in verschiedene Tanzstile, die nicht nur die Kinder, sondern auch uns forderten. Auch die beiden von der Stiftung für Drogenprävention kamen mit dazu und zum Abschluss spielten alle ein Spiel, bei dem alle ihre Ziele für die Zukunft auf Ballons schrieben. Diese wurden dann von einem „Anführer“ gestohlen, der während des Spiels Anweisungen gab. Ziel war es, den Kindern bewusst zu machen, dass sie für ihre Zukunft selbst verantwortlich sind und nicht blind einem Anführer folgen sollten.

Tanzunterricht mit Hip Hop Pena

Fußballspielen

Ballreise von Spirit of Football

Wunschballons

Tag 7 – Austausch und Fußball in Siloé

Der Vormittag begann wieder mit einer gemeinsamen Reflexion und wir finalisierten anschließend unsere Präsentationen über unsere Organisationen und Projekte, denn am Nachmittag stand ein gemeinsamer Austausch in der Bibliothek im Estadio Olímpico Pascual Guerrero auf dem Programm. Nach einer Führung durch die Bibliothek bekamen wir noch einmal Hintergrundeinblicke in die Projekte in Cali und stellten Projekte und Initiativen unserer Organisationen vor. Joaquin teilte Eindrücke von der Ballreise von Spirit of Football, Chrissy stellte die Jugendarbeit im Kölner Fanprojekt vor, Julian erzählte von der Arbeit der Deutschen Sportjugend und Magdalena gab Einblicke in die Strukturen und Projekte der DJK Sportjugend. Annika stellte Studien aus ihrer aktuellen Forschung zu Gewalt im Sport der Deutschen Sporthochschule vor. Der gemeinsame Austasuch bildet nun die Grundlage für die weiteren Planungen des Gegenbesuchs im Sommer 2025 in Deutschland. Natürlich gab es auch noch einen Einblick ins Stadion, in dem América de Cali spielt, bevor wir uns dann gemeinsam nach Siloé aufmachten. Denn wir wurden ja am ersten Tag in Siloé zum Fußballspielen eingeladen. Bei diesem Fußballtraining trainieren Mädchen und Jungen gemeinsam auf dem Fußballplatz in Siloé. Wir kamen über die Gestaltung des Trainings, Zyklusorientiertes Training, Trainer*innenausbildung in Kolumbien, soziale Bedingungen, die Voraussetzungen für nachhaltige Projekte und die Chancen von Sport als außerschulischer Lern- und Erfahrungsraum ins Gespräch. Die Enttäuschung über unser fehlendes Fußballkönnen war zwar groß, aber die Gespräche am Spielfeldrand mit den Projektverantwortlichen, Trainern und Jugendlichen eine große Bereicherung unseres Fachkräfteaustauschs.

Austausch in der Bibliothek

Blick ins Stadion

Fußballprojekt in Siloé

Austausch mit den Trainern und Projektverantwortlichen

Tag 8 – Ein Ausflug nach Pance im Regen

Nach einem gemeinsamen Frühstück und Co-Working ging es gemeinsam mit Anny, Juliana, Lina und Hector in den Nationalpark Pance. Die Fahrt dorthin war geprägt von Gegenteilen. Wir fuhren durch eng bebaute Straßen mit einfachen Häusern vorbei und wenig später sahen wir große eingezäunte Grundstücke mit alarmgesicherten Villen. Der Ausflug in den Nationalpark Pance bildete den Abschluss unserer intensiven Woche. Inmitten der Natur mit den grünen Bäumen und dem rauschenden Fluss ließen wir die Erfahrungen noch einmal Revue passieren. Nach einer langen Rückreise mit dem Bus kamen wir durchnässt wieder am Hotel an. Unseren letzten gemeinsamen Abend nutzten wir für eine ausführliche Nachbesprechung des Fachkräfteaustauschs mit den Partnerorganisationen in Kolumbien und einem gemeinsamen Ausblick auf die zukünftige Zusammenarbeit.

Tag 9 – Ein Abschied auf Zeit

Unseren letzten Morgen starteten wir mit einer Reflexionsrunde im Kreis der Fachkräfte aus Deutschland. Später kam Anni mit dazu und tauschte sich mit uns über unsere Eindrücke während der Zeit in Cali aus und beantwortete noch offengebliebene Fragen. Am Nachmittag blieb noch etwas Zeit, um noch einmal durch Cali zu  laufen, bevor wir uns dann verabschiedeten und um 17 Uhr von Anny zum Flughafen begleitet wurden, um unsere Heimreise anzutreten.

Ausflug in den Nationalpark Pance

Nationalpark Pance

Danke an die FC Stiftung

Abschied

Zurück in Deutschland

Nach 14 Stunden Flug kamen wir am 10. Oktober abends wieder in Frankfurt am Main an – mit vielen Eindrücken und Ideen für die zukünftige Zusammenarbeit im Gepäck. Am 26. November trafen wir uns in Köln zu einem Nachtreffen, und um die Finanzierung und Planung für den Fachkräfteaustausch im Sommer 2025 in Deutschland voranzubringen.

Die vielfältigen Einblicke und der persönliche Austausch haben die Basis für eine nachhaltige Zusammenarbeit geschaffen. Ein Gegenbesuch der kolumbianischen Partnerorganisationen in Deutschland im Jahr 2025 wird bereits vorbereitet. Wir freuen uns darauf, den Dialog fortzuführen und im nächsten Jahr einen vertiefenden Einblick in unsere Projekte, Strukturen und Arbeitsweisen zu geben.

Danke an Anny, Juliana, Lina, Hector, Anni, und alle weiteren Menschen, die in Cali so wertvolle Arbeit leisten und sich, meist im Ehrenamt für die Kinder und Jugendlichen in den Projekten einsetzen. Ihr habt uns so herzlich bei euch aufgenommen, uns zahlreiche spannende Eindrücke in eure Arbeit gewährt und den gemeinsamen Austausch zu einem ganz besonderen gemacht. Vielen Dank auch an die Förderer, die durch ihre finanzielle Unterstützung dieses Projekt ermöglicht haben. Die gewonnenen Erkenntnisse werden uns weiterhin begleiten und prägen. Wir blicken erwartungsvoll auf den Rückaustausch im kommenden Jahr.

 

Bericht: Magdalena Müller

Geschäftsstelle

DJK Sportjugend
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40764 Langenfeld (Rhld.)

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Telefax: 02173–336 68–68